Telehouse-RZ versorgt Nachbarviertel

Abwärme für Franky

12. September 2024, 7:00 Uhr | Autor: Dr. Wilhelm Greiner | Redaktion: Jörg Schröper
Hat schon frühzeitig ein Projekt zur RZ-Abwärmenutzung angestoßen: Béla Waldhauser, CEO von Telehouse Deutschland.
© B.Waldhauser

Es ist ein Leuchtturmprojekt des nachhaltigen Rechenzentrumsbetriebs: Der Frankfurter RZ-Betreiber Telehouse stellt dem Quartier „Franky“ RZ-Abwärme als Nahwärme bereit. Im Interview erläuterte Béla Waldhauser, CEO von Telehouse Deutschland, die Hintergründe des Projekts – und die Herausforderungen.

Zum Interview in den Telehouse-Räumlichkeiten erscheint CEO Béla Waldhauser leger gekleidet, mit Hund, funkelnden Augen und bester Laune. Diese rührt nicht zuletzt daher, dass das Telehouse-Business brummt. „Wir haben unser Finanzjahr, das am 31. März endet, mit Rekordergebnis abgeschlossen“, erzählt er. Im November letzten Jahres habe Telehouse ein neues RZ eröffnet, dieses sei im November schon voll vermietet gewesen. „Aber im November 2022, ein Jahr vor Fertigstellung“, sagt er lächelnd. „Die Nachfrage ist ungebrochen.“

RZ-Ausbau ohne Stromsorgen

Kein Wunder also, dass der Colocation-Anbieter seine Kapazitäten aufstockt. „Wir bauen relativ kleine Rechenzentren mit 3,5 bis 4 MW“, erläutert er. Ein neues RZ sei in Planung, es soll vor dem 1.7.2026 fertig sein. Man habe am Standort noch Platz für zwei Rechenzentren: eines mit 3,5 bis 4 MW und ein größeres. 

Wachstumspläne Frankfurter RZ-Betreiber leiden oft darunter, dass der örtliche Stromversorger Mainova gar nicht mehr weiß, wo er die Energie für die RZ-Stromfresser hernehmen soll. Diese Hürde wusste Waldhauser zu umfahren: „Eine meiner ersten Taten als Geschäftsführer vor zwölf Jahren war, dass ich der NRM Netzdienste Rhein-Main, dem regionalen Netzbetreiber, ein 1.100-m2-Grundstück geschenkt habe.“ NRM baute dort eine 110kV-Umspannstation. 

Diese versorgt zwar Telehouse nicht exklusiv, aber er habe, so Waldhauser, einen Vertrag mit der NRM, der ihm „mehr als genug Strom“ garantiere. „Dadurch bin ich der einzige RZ-Betreiber in Frankfurt, der keine Stromsorgen hat“, sagt er. Und lächelt zufrieden.

Nahwärme für die Nachbarn

Gegenüber dem Telehouse-RZ herrscht reger Baustellenbetrieb. Hier entsteht ein neues Wohnviertel, das vormals „Westville“ hieß, nun aber unter dem Namen „Franky“ läuft. Das neue Quartier wird in 1.330 Wohneinheiten Platz für rund 3.000 Menschen bieten. Neben Wohnblöcken mit Innenhöfen umfasst es Kitas, Ladenlokale und Gastronomie. Ende April feierte man das Richtfest für die ersten 328 Wohnungen. Den Wärmebedarf schätzt der Versorger Mainova auf rund 4.000 MWh pro Jahr. Frankys Nahwärmelieferant: Telehouse.

Denn den gleichen Weitblick wie bei der Stromversorgung bewies Waldhauser auch bei der RZ-Abwärmenutzung. „Das Konzept ist damals ‚auf meinem Mist gewachsen‘“, sagt er und schildert die Historie: Die Telehouse-Räume befinden sich im ehemaligen Werk 1 von Telenorma, dem einst zweitgrößten Telefonhersteller Deutschlands nach Siemens. Auf der anderen Straßenseite, wo Baufirmen an Franky werkeln, lag das Telenorma-Werk 2. 

„Zu Spitzenzeiten“, erinnert sich Waldhauser, „haben auf beiden Seiten der Straße 4.000 Menschen gearbeitet, ich war einer davon – mein erster Job nach der Promotion.“ Auf dem Gelände gab es ein Heizhaus, das Telehouse gerade zu einer Stromversorgungsstation umbaut. Das Heizhaus versorgte damals beide Straßenseiten. Die alten Nahwärmerohre, die über die Straße gehen, existieren noch heute, liegen aber seit Jahren brach. 

„Diese Nahwärmeleitung“, so Waldhauser, „habe ich damals Ralf Werner, dem Geschäftsführer des Franky-Bauträgers Instone, gezeigt, ihm die Telenorma-Historie geschildert und gesagt: Was früher mit dem Heizhaus funktioniert hat, funktioniert heute mit der Abwärme unseres Rechenzentrums. Das ist nachhaltige, grüne Wärme.“ Wenig später habe er Norbert Breitenbach, dem damals zuständigen Vorstand der Mainova, davon erzählt und offene Türen eingerannt. „Ich war also zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt er. Und lächelt.

RZ-Abwärme plus Großwärmepumpe

Die Nutzung der Nahwärmerohre erhält Mainova von Telehouse kostenlos, die Abwärme ebenso. Waldhauser erläutert die Technik dahinter: „Die Mainova installiert die Wärmetauscher bei uns und die Heizzentrale mit der Großwärmepumpe im Wohnquartier Franky. Dadurch bringt sie die Wärme, die sie bei mir mit 30 °C abnehmen, auf 60 bis 70 °C.“ 

Denn das Wohnquartier Franky habe zwar eine Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung, dafür wären 30 °C mehr als genug. Die Abwärme diene aber auch dazu, Warmwasser aufzubereiten, daher der Bedarf an einer Heizzentrale. „Der COP-Wert (Verhältnis aufzuwendender Energie zu erzeugter Wärme, d.Red.) der Großwärmepumpe liegt bei vier“, erklärt Waldhauser, „das ist ziemlich gut.“

Dennoch ist nicht alles Friede, Freude, Wärmepumpe. Das Problem: Die Heizperiode beträgt in Deutschland nur ungefähr sechs Monate. „Mainova spricht für Franky von einer maximalen Last im Winter von 3 bis 3,2 MW, im Sommer von einer minimalen Last von 150 bis 160 kW“, erläutert der Telehouse-Chef. „Damit liegt ziemlich genau ein Faktor 20 zwischen Minimum und Maximum.“

Diese Spanne ist das Grundproblem hiesiger RZ-Abwärmekonzepte, produzieren doch Rechenzentren ihre Abwärme jahrein, jahraus sehr gleichmäßig. „Wenn wir mit indirekter freier Kühlung arbeiten, entsteht nicht einmal ein großer Spareffekt für uns, da wir ja die Außentemperatur als Kühlung nutzen“, so Waldhauser. Es sei natürlich gut für die Umwelt, die Abwärme zu verwerten, aber der RZ-Betrieb werde dadurch „nicht wirklich effizienter“.

„Was wir bräuchten, wären sehr große Energiespeichersysteme“, betont der Telehouse-CEO. Dazu habe der eco-Verband der Internetwirtschaft bereits eine Veranstaltung an der Uni Bayreuth abgehalten, die einen großen Eisspeicher betreibt. Jedoch: „Beim Eisspeicher der Uni Bayreuth reden wir von 100 kW Kälte beziehungsweise Wärme, so Waldhauser. „Ich habe hier aber 15 MW Abwärme.“ Es gebe leider zu wenige Techniken, die es erlauben, solche Energiemengen zu speichern.

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