Verzehnfachung Boomtown Berlin: Der neue Hotspot für Rechenzentren in Deutschland?!

Ein Gastbeitrag von Monika Graß und Ralph Hintemann* 5 min Lesedauer

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Bis zum Jahr 2020 legten internationale Konzerne bei der Ansiedlung neuer Rechenzentren in Deutschland den Fokus ausschließlich auf die Region Frankfurt-Rhein/Main. Aktuell scheint sich hier eine Veränderung abzuzeichnen.

Viele wollen nach Berlin - auch mit Datacenter im Gepäck.
Viele wollen nach Berlin - auch mit Datacenter im Gepäck.
(Bild: frei lizenziert: The Pixelman / Pixabay)

Neben einer Vielzahl neuer und großer Rechenzentrumsprojekte im Raum Frankfurt-Rhein/Main kristallisiert sich zunehmend die Region Berlin/Brandenburg als zweiter international relevanter Rechenzentrumsstandort in Deutschland heraus. Sicher war die Ankündigung von Google im Jahr 2021 mit seinen Milliardeninvestitionen neben Frankfurt auch auf die Region Berlin/Brandenburg zu setzen, ein international wahrgenommenes Ausrufezeichen.

Aber auch schon vorher gab es mehr und mehr größere Rechenzentrumsprojekte in der Hauptstadtregion. Schon 2019 gab NTT bekannt, auf einem 60.000 Quadratmeter großem Areal in Berlin-Mariendorf ein neues Großrechenzentrum zu bauen. Weitere Projekte folgten.

Aktuell wird über neue Großprojekte in den Brandenburgischen Gemeinden Hoppegarten und Wustermark berichtet. In der Wustermark will Virtus auf einem 350.000 Quadratmeter Grundstück ein 300 Megawatt-Rechenzentrum aufbauen. Selbst im Vergleich zu anderen Hyperscale-Projekten im Rhein/Main-Gebiet und an anderen europäischen Standorten ist das eine außergewöhnliche Größenordnung.

Die Rechenzentrumskapazitäten in Berlin/Brandenburg haben sich verdoppelt

Die Autoren dieses Artikels analysieren schon seit Jahren die Entwicklung der Investitionen in Rechenzentren in Deutschland und verfügen über eine Datenbank mit über 500 Rechenzentrumsstandorten und -projekten. Diese Daten zeigen klar auf: Allein zwischen 2017 und 2023 haben sich die Kapazitäten der Rechenzentren in der Region Berlin/Brandenburg bereits mehr als verdreifacht.

Bis 2030 ist davon auszugehen, dass sich das Wachstum noch einmal beschleunigt. Allein die aktuell geplanten Projekte werden dazu führen, dass sich die Kapazitäten in den nächsten Jahren gegenüber 2017 mehr als verzehnfachen. Die Region wird sich neben Frankfurt Rhein/Main zum zweiten international relevanten Standort in Deutschland entwickeln.

Was spricht für die Hauptstadtregion?

Doch warum zieht es die Rechenzentren auf einmal in die Region? Dafür gibt es vor allem zwei Gründe.

  • Erstens ist Berlin für internationale Konzerne ein reizvoller Standort. Berlin wird als Weltstadt der Kultur, Medien und Wissenschaften wahrgenommen. Für Arbeitnehmer ist dieses Umfeld sehr attraktiv. Wenn Marktführer wie Tesla und neuerdings auch Google hier investieren, zieht das natürlich auch weitere Unternehmen an. Auch der internationale Flughafen BER erhöht die Attraktivität des Standorts.
  • Zweitens bietet die Region für Rechenzentren einige Vorteile. Die vielen Behörden der Hauptstadt sind attraktive Kunden. Außerdem sind die Flächenpreise deutlich günstiger als im Rhein/Main-Gebiet. Hinzu kommt ein sehr hoher Anteil umweltfreundlicher Windenergie in Brandenburg – ein deutlicher Pluspunkt für viele an Klimaschutz interessierten Investoren.
    Zwar müssen auch hier die Stromnetze für die hohen Leistungsanforderungen der Rechenzentren oft noch ausgebaut werden. Mit dieser Herausforderung kämpfen aber aktuell fast alle Standorte weltweit. Berlin/Brandenburg ist als „Tor zu Osteuropa“ auch von der geographischen Lage her für die Rechenzentrumsbranche sehr interessant.

Welche positiven Folgen haben die Rechenzentrumsansiedlungen?

Was bedeutet der Trend zur Rechenzentrumsansiedlung für Berlin/Brandenburg? Die Investitionen in Milliardenhöhe werden sicher gerne mitgenommen, bleiben sie doch zumindest zum Teil in der Region.

Neue Arbeitsplätze werden auch geschaffen. Zwar dürfte die Anzahl der in den nächsten Jahren insgesamt in den neuen Rechenzentren geschaffenen Stellen maximal im niedrigen vierstelligen Bereich liegen. Deutlich höher könnte aber die Zahl von indirekt geschaffenen Arbeitsplätzen sein, beispielsweise bei Bau- und Service-Unternehmen.

Aber auch die Bedeutung einer leistungsfähigen Rechenzentrumsinfrastruktur für die regionale Wirtschaft und besonders für die Ansiedlung weiterer Digitalunternehmen darf nicht vernachlässigt werden. Hierzu fehlen leider noch belastbare Daten zu den Auswirkungen der Rechenzentrumsinvestitionen. Auf der Liste der positiven Auswirkungen kann ebenfalls die Möglichkeit genannt werden, mit Hilfe der Abwärme aus den Rechenzentren die Wärmeversorgung der Region klimafreundlicher zu gestalten.

Welche negativen Folgen sind zu befürchten?

Und wie sieht es mit negativen Folgen der Ansiedlung aus? Problematisch könnte der Flächenbedarf der Rechenzentren bewertet werden. Im Vergleich zu anderen Großprojekten schneidet die Branche hier aber gut ab. Rechenzentren stellen nur geringe Ansprüche, was die Erschließung angeht. Oft sind die Investoren auch bereit, belastete Flächen zu sanieren. Wie der Flächenbedarf und die damit verbundene Flächenversiegelung bewertet werden kann, muss daher für jedes Projekt individuell betrachtet werden.

Das gleiche gilt für den Wasserbedarf - ein Thema, das vor allem im trockenen Brandenburg viel diskutiert wird. Wie viel Wasser ein Rechenzentrum benötigt, hängt von der Art seiner Kühlung ab. Wasser wird in Rechenzentren vor allem gebraucht, um Strom zu sparen. Betrieben werden kann ein Rechenzentrum aber auch ohne dieses Wasser, dann mit einem etwas höherem Stromverbrauch.

Negative Folgen für Anwohner: Neben dem Flächen- und Wasserverbrauch werden oft auch negative Folgen für die Anwohner diskutiert. Befinden sich Wohngebäude im direkten Umfeld von Rechenzentren, kommt es häufiger zu Beschwerden über die Lärm- und Schadstoffemissionen durch die regelmäßigen Testläufe der Notstromdiesel. Auch die wenig ansprechende Optik der Gebäude und der kontinuierliche Geräuschpegel durch die Kältetechnik führen mancherorts zu Konflikten mit der Nachbarschaft.

Das Autorenduo*

Bildquelle: Grass Consulting

Monika Graß ist Inhaberin von Grass Consulting. Einer ihrer Beratungsschwerpunkte ist das Datacenter Information Management sowie die Zusammenarbeit von Facility, Betrieb und IT. Ihr Credo: „Denn nur gemeinsam können Ziele wie Effizienz und Nachhaltigkeit ganzheitlich erzielen.“

Bildquelle: Borderstep Institut


Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere den Nachhaltigkeitspotenzialen der Digitalisierung. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit stehen Innovationsstrategien, neue Geschäftsmodelle für Nachhaltigkeitsinnovationen und die Erfolgsfaktoren für die Diffusion neuer Produkte und Technologien.

Das Fazit des Autorengespanns lautet:
Berlin/Brandenburg wird von Rechenzentren profitieren.
Bei einer vorrausschauenden Planung können im Dialog mit den verschiedenen Stakeholdern die meisten der negativen Wirkungen verringert oder sogar vermieden werden. Denkbar sind beispielsweise Fassadenbegrünungen oder Schallschutzmaßnahmen. Übrigbleiben als Herausforderungen vor allem die hohen Energiebedarfe der Rechenzentren und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen. Für die Region Berlin/Brandenburg entstehen daneben aber sehr viele Vorteile – auch wenn bisher die konkreten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftskraft der Region nur schwer zu beziffern sind.

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